Erst seit Januar 2022 ist bei uns in Deutschland und in der gesamten EU ein Medikament für die Behandlung von Affenpocken bei Menschen mit einer Immunschwäche zugelassen. Aktuell wird von Forschenden überprüft, inwiefern die bewährten Pocken-Medikamente zum Einsatz kommen können, um die Infektionskrankheit Monkeypox (MPX) zu behandeln. Zwei Mittel werden aktuell genauer auf den Prüfstand gestellt, wovon Tecovirimat am erfolgsversprechendsten scheint.
Tecovirimat als Medikament bei Affenpocken
Das Medikament Tecovirimat verfügte zuvor bereits über eine Zulassung zur Behandlung verschiedener Pockenarten – allerdings keine für die Infektionskrankheit Affenpocken. Ein Expertenteam der Liverpool University Hospitals NHS Foundation Trust, welches auf Tropenmedizin spezialisiert ist, untersuchte bereits zwischen den Jahren 2018 und 2021 für eine Studie mehrere Affenpockenfälle in Großbritannien. Dabei wurden zwei verschiedene antivirale Medikamente eingesetzt.
Bei Tieren zeigten beide Mittel Erfolge in der Wirkung, bei der Human-Studie konnte man allerdings bei dem Mittel Brincidofovir keinen klinischen Nutzen feststellen. Erfolgversprechender war die Wirkung von Tecovirimat. Das Medikament zeigte keine unerwünschten Nebenwirkungen, wie es bei Brincidofovir der Fall war, zudem sorgte es zu einer Verkürzung der Dauer, in der die Probanden mit Symptomen zu kämpfen hatten. Da die Studie nur mit sehr wenigen Fällen durchgeführt wurde, kann nicht mit Gewissheit gesagt werden, dass tatsächlich das Medikament gegen die Affenpocken geholfen hat – es müssen weitere, wesentlich großangelegtere Untersuchungen folgen. Es liegt aber sehr nahe, dass der Wirkstoff auch bei Affenpocken das hält, was er verspricht – beziehungsweise, was sich die Forschenden und auch Mediziner davon versprechen.
Tecovirimat ist ein antiviraler Wirkstoff, der in der Vergangenheit eine potentielle Wirkung gegen mehrere Orthopoxviren zeigte. Diese Erreger lösen Pocken und andere pockenähnliche Zoonosen aus. Auch das Affenpockenvirus wird den Orthopoxviren zugerechnet. Das Medikament wurde ursprünglich in den USA entwickelt, um bei einem möglichen Einsatz von Pockenviren als biologische Waffe unmittelbar eine Behandlungsmöglichkeit für die Bevölkerung zu haben. Die Wirksubstanz bindet sich an ein Virusprotein und blockiert das Virus in seiner Aktivität.
Das Medikament Tecovirimat wurde bisher nur ein einziges Mal eingesetzt
Eine US-Laborantin infizierte sich 2018 während Forschungsarbeiten im Hochsicherheitslabor versehentlich über eine Nadel mit einem pockenähnlichen Virus. Eine Pockenschutzimpfung hatte sie zuvor aus Angst vor unerwünschten Nebenwirkungen abgelehnt. Schon zehn Tage nach dem „Unfall“ zeigten sich bei ihr die ersten Symptome: Fieber, Schüttelfrost, geschwollene Lymphknoten und die für die humanen Pocken typischen Hautveränderungen. Zwei Tage später verabreichte man ihr eine ordentliche Dosis Vaccinia-Antikörper – sozusagen den Pockenimpfstoff oder besser, die Grundlage aller bisher verfügbaren Pockenimpfstoffe.
Zusätzlich wurde die 26-Jährige aufgrund ihres schlechter werdenden gesundheitlichen Zustands zwei Wochen lang mit dem Medikament Tecovirimat theraphiert – dem Wirkstoff, der noch nie zuvor bei einem Menschen zum Einsatz kam. Schon nach 24 Stunden zeigten sich Behandlungserfolge, der kritische Zustand verbesserte sich und die meisten der Symtome klangen recht schnell ab. Einzig die Nekrose, die sich am Einstich-Finger gebildet hatte, musste länger behandelt werden. Das ursprünglich für die Behandlung von Orthopockenvirus-Erkrankungen zugelassene Medikament Tecovirimat wurde im Juni 2022 in der EU auch für die Behandlung von Affenpocken in der Humanmedizin zugelassen und darf somit nun auch erfolgreich beim Menschen eingesetzt werden.
Vorbeugen statt Medikamente nehmen: Affenpocken-Impfung
40 Jahre nachdem die Pocken als erfolgreich ausgerottet galten, kommen Forscher zur Überlegung, ob der aktuelle Ausbruch der Affenpocken in nichtendemischen Gebieten nicht möglicherweise die unbeabsichtigte Folge davon ist, dass man die Pocken-Impfpflicht aufgehoben hat. Fakt ist: Der Pockenimpfschutz in der Bevölkerung hat seitdem enorm nachgelassen. Die während der Impfpflicht vaccinierten Personen sind mittlerweile Mitte 50 Jahre und älter. Sie haben zumindest eine Grundimmunität – auch gegen Affenpocken und andere Zoonosen, die von pockenähnlichen Viren verursacht werden.
Nach Schätzungen britischer Forschender sollen inzwischen etwa 70% der Weltbevölkerung keinen Pockenschutz mehr haben. Fatal, angesichts der Tatsache, dass es noch heute aktive Pockenviren gibt. Zwar werden sie unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen in Hochsicherheitslaboren aufbewahrt, aber der Vorfall bei der Labormitarbeiterin in den USA zeigt, dass das Virus auch versehentlich aus dem Labor ausgeschleust werden kann – da braucht es keinen Bio-Angriff.
Die Impfung gegen Pocken bietet nicht nur einen Schutz gegen das Smallpox-Virus, sondern gegen eine Vielzahl an Orthopox-Viren, die eine Bedrohung für die Gesundheit von Mensch und Tier sind. Möglicherweise wäre es sinnvoll, eine neue, großangelegte Impfkampagne zu starten, um die Bevölkerung auf die Risiken der Pockenviren (oder allgemein der Orthopoxviren) zu sensibilisieren und auf die Möglichkeit einer Impfung aufmerksam zu machen, auch wenn es mittlerweile mit Tecovirimat offenbar ein wirksames Medikament gegen Affenpocken gibt. Den besten Infektionsschutz hat man eben mit einer Pocken-Vaccination.
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